Zu einer besonderen Veranstaltung laden am Samstag, dem 6. Mai 2023, um 19 Uhr die Gailtaler Wildsänger aus Vorderberg und die bekannte Kärntner Volkskundlerin und Slawis-tin Herta Maurer-Lausegger in das Kulturzentrum der Gemeinde St. Stefan im Gailtal.
Im Rahmen der Veranstaltung, die der Historiker Peter Wiesflecker moderieren wird, präsentieren die Vorderberger Sänger und Herta Maurer-Lausegger die Ergebnisse ihrer mehrjährigen Zusammenarbeit, die in gleich mehreren Projekten mündete. Allen gemeinsam war, das Kulturgut des Unteren Gailtales und jenes des Ortes Vorderberg im Besonderen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zugleich nachhaltig zu sichern. Und das Ergebnis dieser nicht alltäglichen Zusammenarbeit von wissenschaftlicher Forschung und Brauchtumspflege vor Ort kann sich sehen lassen! Dies nicht zuletzt, weil alle Beteiligten das verbindet, was man Leidenschaft für das vielfältige kulturelle Erbe des Unteren Gailtales nennen könnte.
Herta Maurer-Lausegger hatte bereits 1994 das Projekt „Audiovisuelle Dialektologie. Dokumentation alter Volkskultur im Dialekt“ am Institut für Slawistik der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt initiiert und leitet dieses seither. Die Gailtaler Wildsänger wiederum sind ein fixer Bestandteil im Brauchtums- und Kulturleben Vorderbergs. Dank ihnen lebt das seit Generationen überlieferte Kulturerbe fort. Ihre mehrstimmigen Lieder erklingen bei Kirchtagen und anderen Brauchtumsereignissen, auf Konzerten, in Gasthäusern (z. B. offenes Gasthaussingen) und – wie Günther Zimmermann, einer der Sänger hinzusetzt – „bei spontanen Treffen, wo wir andere zum Mitsingen einladen.“
Das Vorderberger Liedgut birgt eine Reihe von Kostbarkeiten, u. a. Lieder bzw. einzelne Strophen, die nur in diesem Untergailtaler Ort, der bis heute als eines der Zentren der Zucht von Norikerpferden ist, gesungen werden. So wird das Marienlied Devica Marija nur am zweiten Vorderberger Kirchtag, dem Herbstkirchtag gesungen. Die Wurzeln dieses Liedes, das anderswo in Kärnten nicht bekannt ist, reichen ins beginnende 17. Jahrhundert zurück. Nach alter Volksüberlieferung wurde dieses Lied von einem Geistlichen nach Vorderberg gebracht.
Das erste gemeinsame Projekt von Herta Maurer-Lausegger und „ihren“ Vorderberger Sängern war das Filmprojekt „Gailtaler Wildsänger. So singen wir in Vorderberg – Tako pojemo v Blačah ...“. Ziel war es, die in Vorderberg gesprochene slowenische Mundart, die eine Untergruppe des Gailtaler slowenischen Dialekts darstellt, am Beispiel des traditionellen Kirchtagbrauchtums zu dokumentieren und die mit dem Kirchtag verbundenen Brauchtumslieder filmisch festzuhalten. Das Ergebnis ist eine zweisprachige Liedersammlung (Länge: ca. 37 Min.). In einem zweiten Projekt wurde unter dem Titel „Kufenstechen bei uns in Vorderberg – Štehvanje p našan v Bvačah“ der Vorderberger Kirchtag am 1. Juli 2018 dokumentiert. Der gesamte Ablauf des Kirchtags – vom Kirchgang, über das Kufenstechen bis hin zum Tanz unter der Linde („prvi rej“) wurde mit der Filmkamera begleitet und festgehalten. Produziert wurden zwei Filmfassungen (in einer Gesamtlänge von jeweils 17 min.) – eine im Vorderberger slowenischen Dialekt („p našan“), eine andere in deutscher Sprache. Die Filme werden am 6. Mai 2023 in St. Stefan präsentiert. Sie können auch auf einem USB-Stick mit den jeweils dazugehörigen Begleitheftchen erworben werden.
Die Gailtaler Wildsänger aus Vorderberg pflegen seit bald einem Jahrzehnt das überlieferte Kärntner slowenische und deutsche Brauchtums- und Volkslied und knüpfen dabei an die Tradition der – wie Günther Zimmermann sie nennt – „alten Wildsänger“ an. Gemeinsam mit seinen Brüdern Dietmar und Josef hat er die Initiative zur Wiederbelebung des autochthonen Liedgutes der Region ins Leben gerufen. „Wir sind kein Chor im klassischen Sinn“, merkt Sepp Zimmermann dazu an, „sondern uns geht es um offenes Singen einer Sängergruppe, deren Größe je nach Situation beliebig variieren kann. Wir singen die traditionelle deutschen und slowenischen Brauchtums- und Volkslieder, die in Vorderberg, in der Region und darüber hinaus bekannt sind.“
„Ein Spezifikum der Lieder, die von den „Gailtaler Wildsängern“ in beiden Sprachen gesungen werden, stellen die Liedvarianten dar“, führt Herta Maurer-Lausegger aus. „Mich hat das Repertoire begeistert. Ihre Lieder enthalten mitunter einzelne Strophen, Verse oder Textteile, die bislang in solcher Form noch nicht dokumentiert wurden! Mit dieser Dokumentation soll die vielfältige Untergailtaler Kultur gesichert werden. Das war und ist mir ein besonderes Anliegen“, sagt Herta Maurer-Lausegger.
2018 wurden das Untergailtaler Kirchtagsbrauchtum und die Untergailtaler Tracht in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. „Nunmehr werden Liedgut und Brauchtum in einer besonderen lokalen Ausprägung vorgestellt“, freut sich auch der Historiker Peter Wiesflecker, einer der Hauptinitiatoren des UNESCO-Antrages, und fügt hinzu: „Der Termin am 6. Mai 2023 ist nicht nur für „Vorderberger“ interessant, sondern für alle, die dem Untergailtaler Brauchtum und dem Liedgut in einer sehr spezifischen Form begegnen wollen.“
Kontakte für weitere Anfragen zur Veranstaltung:
Josef Zimmermann: Tel. 0664 883 19 92
Herta Maurer-Lausegger: E-Mail: herta.maurer-lausegger@aau.at